Städtereisen boomen: Jubiläen, Sehenswürdigkeiten und zahlreiche Veranstaltungen ziehen immer mehr Touristen in die Metropolen. Doch Massenandrang und Einfahrverbote können für Busunternehmer und Reisende zu Problemen führen.
Einmal bei strahlendem Sonnenschein den Blick vom Pariser Eifelturm genießen, in einer lauen Sommernacht auf der Spanischen Treppe in Rom den Tag Revue passieren lassen, in feinem Zwirn eine mitreißende Show mit tosendem Beifall bejubeln oder am Brandenburger Tor bewegende Zeitgeschichte atmen: Für viele Städtereisende sind das die lang ersehnten Highlights ihrer Urlaubsfahrt. Der unnatürlich laut lachende Sitznachbar auf der Spanischen Treppe, der aus Platzgründen Bein an Bein aufrückt, die schier unendlich scheinende Warteschlange vor dem Pariser Wahrzeichen, die sich im Schneckentempo vorwärts tastet oder die unaufhaltsam strömende Menschenmenge, die im nie endenden Gänsemarsch vor die Berliner Fotokulisse drängt, erweitern das Städteerlebnis um den Faktor „Geselligkeit“ – ob gewollt oder nicht.
Denn die Metropolen werden voller. Nicht nur durch den demographischen Wandel, der ehemalige Landbewohner in die geschäftigen Zentren zieht, sondern auch durch die Vielzahl an Touristen, die die pulsierenden Ansammlungen menschlichen Lebens nah und fern als Freizeit- und Kulturstätte für sich entdecken. Laut der Reiseanalyse 2017, die Anfang des Jahres von der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e. V. mit Sitz in Kiel herausgegeben wurde, rangiert im Segment der Kurzurlaube die Städtereise mit 36 Prozent auf Platz eins der beliebtesten Reisearten der Deutschen im Jahr 2016.
Berlin führt Beliebtheitsskala an
Bei den Zielen dominieren demnach die großen Metropolen: In Deutschland führt Berlin die Beliebtheitsskala an, gefolgt von Hamburg und München. Im Ausland liegt London vor Wien und Paris. Eine ausführliche Auswertung zu der Beliebtheit von Städtereisen sowie zu gefragten Reisezielen finden sie auf Seite 29. Auch bei der Messe „Reisen Hamburg“ Anfang Februar zeigte sich der Trend zur Metropolenerkundung: Die Hamburg Messe und Congress GmbH erfuhr bei einer Umfrage unter den Messebesuchern, dass 60 Prozent der Angesprochenen ein besonders großes Interesse an Städtetrips haben (2015: 56 Prozent).
„Wir registrieren seit geraumer Zeit einen deutlichen Anstieg bei Städtereisen, sie sind nahezu immer ausgebucht“, bestätigt Hans-Peter Christoph, Geschäftsführer der Avanti Busreisen, Hans-Peter Christoph KG mit Sitz in Freiburg. Das Besondere dabei: Eher die kleineren Städte wie etwa Parma oder Ravenna in Italien sowie Nancy und Metz in Frankreich ziehen bei Avanti. „Gut möglich, dass nicht so bekannte, kleinere Städte als sicherer wahrgenommen werden als Metropolen. Außerdem sind sie von Touristen nicht so überlaufen wie die ganz bekannten Ziele“, glaubt Christoph. Für die wachsende Nachfrage sorgen jedoch nicht nur die bekannten Sehenswürdigkeiten, sondern auch die zahlreichen Jubiläumsprogramme, Großveranstaltungen, Gruppenführungen und farbenfrohen Shows, die Stadtverwaltungen und Tourismusorganisationen für Busunternehmer, Reiseveranstalter und Touristen zusammenstellen.
Themenjahr-Trilogie in Flandern
Unter dem Titel „Flämische Meister 2018 – 2020“ widmet sich beispielsweise die belgische Region Flandern in drei aufeinander folgenden Themenjahren dem Leben und künstlerischen Vermächtnis von Peter Paul Rubens (2018), Pieter Bruegel (2019) und Jan Van Eyck (2020). Laut VisitFlanders – Tourismus Flandern Brüssel mit Sitz in Köln startet Antwerpen im Jahr 2018 die Event-Trilogie mit dem kulturellen Stadtfestival „Antwerp Baroque 2018. Rubens as an Inspiration“, das Peter Paul Rubens und sein barockes Kulturerbe feiert. Dafür wurden laut den Verantwortlichen rund 14 Millionen Euro investiert – unter anderem in die touristische Infrastruktur. Besucher und Reisegruppen können sich demnach auf zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen freuen. Das Werk Rubens soll auch in den Arbeiten zeitgenössischer Künstler gespiegelt werden. Der belgische Maler Luc Tuymann vergleicht etwa im Museum für Moderne Kunst Arbeiten des historischen Barocks mit heutigen Meistern.
Im Frühjahr 2019, anlässlich seines 450. Todestages, steht die Metropole Brüssel dann ganz im Zeichen des Künstlers Pieter Bruegel, bevor im Herbst die Hafenstadt Antwerpen zur „Bruegel-Hochburg“ wird. Das neu renovierte Museum der Schönen Künste Antwerpen zeigt dann die Ausstellung „Bruegels Jahrhunderte. Kunst in Antwerpen und den südlichen Niederlanden 1525 - 1586“. Im Jahr darauf gibt dann der Künstler Jan van Eyck den Ton im nördlichen Belgien an: Die Ausstellung „Jan van Eyck und der Hof der burgundischen Herzöge“ im Genter Museum für Schöne Künste leitet das Themenjahr 2020 ein, gefolgt von der Heimkehr des berühmten Genter Altars, der einst von Jan Van Eyck gefertigt wurde und der nach einer umfangreichen Restaurierung seinen angestammten Platz in der Sankt Bavo-Kathedrale wieder einnimmt.
Schicht im Schacht
Keine drei Themenjahre, dafür aber ein zeitgeschichtlicher Einschnitt stehen im östlichen Nachbarland Belgiens, genauer gesagt in Nordrhein-Westfalen, auf der Agenda. Dort heißt es im Jahr 2018 „Schicht im Schacht“. Denn mit der Zeche Prosper Haniel in Bottrop schließt laut der Ruhr Tourismus GmbH (RTG), Oberhausen, die letzte Zeche im Ruhrgebiet. Doch auch nach dem Bergbauende soll die Industriekultur bei der Vermarktung der Region eine entscheidende Rolle spielen. „In puncto Industriekultur und Tourismus sind wir das Original“, erklärt Axel Biermann, Geschäftsführer der RTG. Es gelte, dieses Alleinstellungsmerkmal in den kommenden Jahren weiter zu festigen.
Festivals und Events sowie die Dichte an Kultur- und Freizeitangeboten sowie die radtouristische Qualität der Metropole Ruhr seien bedeutsame Stärken der Region. Eine neue Kooperation zwischen dem Ruhrgebiet und dem Berliner Zentrum für Industriekultur soll zudem dabei helfen, gemeinsame Aktivitäten zu fördern und umzusetzen sowie dafür sorgen, dass das industrielle Erbe besser in das Bewusstsein der Menschen rückt.
Wer nicht bis 2018 warten möchte, wird auch in diesem Jahr nicht enttäuscht: Zahlreiche Städte bieten Busreiseveranstaltern ein abwechslungsreiches Angebot im Rahmen des 500-jährigen Reformationsjubiläums (siehe busplaner 4/2017, Seite 26), bei dem Martin Luther sowie seine Wirkungsstätten im Fokus stehen. Im Bach-Museum in Leipzig beleuchtet etwa die Sonderausstellung „Bach und Luther“, die von Anfang September bis Ende Januar 2018 stattfindet, die Bedeutung der Errungenschaften Luthers für den Komponisten Bach und sein Werk. Gruppenführungen sind nach Veranstalterangaben jederzeit
Aber auch abseits von Jubiläen, Großveranstaltungen und Sehenswürdigkeiten finden Reisegruppen in den Metropolen der Welt eine schier unendliche Bandbreite an Programmpunkten: Shows und Musicals ziehen dabei ein oftmals altersunspezifisches Publikum in die Theatersäle der Regionen. In Hannover, Essen, Bad Oeynhausen, Münster, München, Bremen und Bonn begeistert etwa die GOP Entertainment-Group GmbH & Co. KG, Büren, Besucher in ihren Varieté-Theatern. So zeigt in München die Show „Le Club“ von Mitte September bis Anfang November afrikanische Lebensfreude fernab von Klischees , während zur selben Zeit in der Hansestadt Bremen die Show „La Luna“ mit faszinierenden Akrobatikdarbietungen das Publikum in ihren Bann zieht, erklären die Verantwortlichen.
Schattenseiten der Touristenflut
Doch die Touristenströme in die Metropolen haben auch Schattenseiten. Im spanischen Barcelona fordern laut Medienberichten derzeit viele Einheimische Hilfe von der Politik, um dem Touristenansturm wieder Einhalt zu gebieten.
Auch Avanti Busreisen-Geschäftsführer Hans-Peter Christoph bestätigt den Massenansturm aus eigener Erfahrung: „Die Stadt wird ja völlig überrannt, selbst im Winter“. Dennoch hat der Spanienexperte noch keine ablehnende Haltung der Einheimischen gegenüber Touristen feststellen können. „Es ist eben immer so, dass es aus dem Wald herausschallt wie man hineinruft“, erklärt Christoph. Wichtig sei es, dass die Veranstalter, Busfahrer und Reiseleiter die kulturellen Unterschiede und Eigenheiten der Gastgeber an die Kunden vermitteln und Verständnis dafür wecken.
Aber nicht nur die Menschenmassen, auch der Verkehr wird in vielen Metropolen zunehmend zum Problem, auf das die Stadtoberhäupter mit Einfahrverboten oder Umweltzonen reagieren. In Mailand wurde beispielswiese laut dem bdo Bundesverband deutscher Omnibusunternehmer e. V., Berlin, das Einfahrverbot für Busse noch einmal verschärft. Neben dem bislang bestehenden Verbot für Fahrzeuge der Euroklassen 0 bis III gilt demnach ab sofort auch ein Einfahrverbot für Busse der Euroklasse IV. Das heißt, dass Busse dieser Klassen von Montagmorgen bis Freitagabend den Innenstadtbereich nicht befahren dürfen. Am Donnerstag ist die Einfahrt von 7.30 Uhr bis 18 Uhr erlaubt.
Und nicht nur in Italien, auch in Frankreich greifen künftig neue Umweltauf-lagen: In den französischen Städten Lyon und der Nachbarstadt Villeurbanne sowie in Grenoble benötigen Busunternehmer laut dem bdo seit Ende letzten Jahres eine französische Umweltplakette. In der Metropole Grenoble wurde zudem in demselben Zeitraum eine Umweltzone eingeführt. Busunternehmer sehen diese Entwicklung kritisch. „Bustouristen geben überproportional viel Geld vor Ort aus, mehr als andere Touristen. Damit stärken Sie die lokale Wirtschaft“, erklärt Hans-Peter Christoph. „Deshalb ist es absolut kontraproduktiv von den Verantwortlichen, Bustouristen aussperren zu wollen.“ Zudem habe sich seit dem Fernbusboom das Image des Busses als Verkehrsmittel noch einmal verbessert, erläutert Christoph.
Die Nachfrage nach Städtetrips scheint somit in nächster Zeit nicht abzureißen und auch an abwechslungsreichen Programmpunkten für die Bustouristik wird es in den kommenden Jahren nicht mangeln: Die Deutsche Zentrale für Tourismus e.V. (DZT), Frankfurt am Main, hat bereits die Basisthemen veröffentlicht, die zur Bewerbung des Reiselandes Deutschland im In- und Ausland von 2018 bis 2020 dienen sollen. Demnach steht 2018 das „kulinarische Deutschland“ im Fokus der Vermarktung, während 2019 die Jubiläen „100 Jahre Bauhaus“, „200 Jahre Theodor Fontane“ und der 200. Geburtstag von Karl Marx zu neuen Angeboten inspirieren. 2020 stehen dann das Thema „250 Jahre: Ludwig van Beethoven“ sowie die 42. Oberammergauer Passionsspiele (siehe Interview in busplaner 4/2017, Seite 31) auf der Agenda. Viel Neues also für zukünftige Busreisen. Julia Lenhardt Foto: Jerzy Sawluk/Pixelio.de
Urlaubsreisen: Städtetrips wachsen am schnellsten
Während Strandurlaube mit einem Marktanteil von 28 Prozent nach wie vor die weltweit häufigste Urlaubsart sind, haben Städtereisen über die vergangenen fünf Jahre stark aufgeholt und 2016 einen weltweiten Marktanteil von 26 Prozent erreicht.
Das geht aus dem aktuellen „IPK`s World Travel Monitor“ hervor, einer jährlichen Studie, die das Auslandsreiseverhalten in mehr als 60 Ländern untersucht und damit mehr als 90 Prozent des weltweiten Reiseaufkommens abdeckt. „Obwohl vor allem Städte von Terroranschlägen direkt betroffen waren, boomt der weltweite Städtetourismus nach wie vor“, kommentiert Rolf Freitag, CEO von IPK International, die Ergebnisse.
Deutschland ist dabei das Städtereiseziel Nummer 1 der Europäer. Mehr als zwölf Millionen Citytrips bedeuten ein starkes Plus von 25 Prozent im Jahr 2016. Nach vorläufigen Zahlen aus den Beherbergungsstatistiken der Statistischen Landesämter (bis 2014 inklusive Berlin; ab 2015 ohne Berlin) verzeichneten die meisten der zehn „Magic Cities“ 2016/2017 ein Wachstum bei den Ausländerübernachtungen: Frankfurt/Main, Hamburg, Düsseldorf, Stuttgart, Nürnberg und Leipzig legten zu.
Ein Minus verzeichneten dagegen München, Köln, Dresden und Hannover. Insgesamt übernachteten 2016 rund 21,7 Millionen Ausländer in den Magic Cities, 0,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Allerdings schwächte sich das Wachstum deutlich ab: Im Vorjahr lag es noch bei plus 5,5 Prozent. In den historischen Städten Deutschlands ergibt sich ein noch differenzierteres Bild und im Schnitt ein Rückgang von 2,9 Prozent von 2015 zu 2016 auf 3,7 Millionen Ausländerübernachtungen. Und das, nachdem die Zahlen noch im Vorjahr um 7,6 Prozent gewachsen waren. Zugelegt haben 2016 gegenüber 2015 nur die Städte Mainz, Regensburg, Potsdam, Osnabrück und Erfurt.
Unter den Bundesländern verzeichneten 2016 Berlin, Nordrhein-Westfalen und Hamburg das größte Plus. „Um das Reiseland Deutschland auch in Zukunft auf Spitzenplätzen zu positionieren, brauchen wir ein Klima, in dem Ausländer gern nach Deutschland reisen. Demokratische Meinungsvielfalt gehört zu den Stärken unseres Landes. Pegida-Kundgebungen oder Hassreden von Politikern, die sich mit billigem Populismus profilieren wollen, gehören nicht dazu“, betonte Klaus Laepple, Präsident des Verwaltungsrates der Deutschen Zentrale für Tourismus e.V., bei der Vorstellung der Zahlen auf der ITB Berlin 2017 im März. akw